nierentransplantation mit lebendspende
Persönliches

Nierentransplantation: Ich habe eine Ferrari-Niere

Heute vor 19 Jahren hatte ich die größte Operation meines bisherigen Lebens: eine Nierentransplantation. Und ich bin sehr dankbar dafür.

Bei einer Bio-Klausur (vielleicht war es auch Religion) in der Oberstufe sollte ich mich äußern zum Thema Organ-Transplantation. Und ich erinnere mich, dass ich mir das überhaupt nicht vorstellen konnte. Weder zu spenden, noch ein Organ zu empfangen. Meine Argumente waren valide. Doch dann kam alles anders…

Noch vor dem Abitur beschloss mein Körper: „Nieren? Brauchen wir nicht, die werden jetzt abgestoßen“

Danke dafür. Verräter!

Bis heute ist die Diagnose mit einem Fragezeichen versehen, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass die Ursache ein Systemischer Lupus Erythematodes ist. Die kurze Fassung ist: Das Immunsystem identifiziert eigene Organe als Fremdkörper und stößt diese ab.

Ich bin tatsächlich froh, dass es „nur“ die Nieren waren.

„Warum ich?“ ist eine Frage, die mich nie wirklich beschäftigt hat. Ich stelle mir das so vor: Gehe auf eine Wiese und pflücke ein Gänseblümchen. Warum dieses? Das daneben sieht exakt genau so aus. Es lebt in der gleichen Umgebung, bekommt die gleichen Nährstoffe und hat die selben Umgebungsbedingungen.

Manchmal gibt es einfach keinen Grund.

Es ist so, wie es jetzt ist. Das Einzige, was ich tun kann ist damit zurecht zu kommen. Oder nicht.

„Oder nicht“ ist und war keine Lösung für mich.

Zwischen „Die Nierenwerte sind nicht gut, das müssen wir engmaschig im Auge behalten“ bis „Es wird Zeit Sie auf die Dialyse vorzubereiten“ verging etwa ein halbes Jahr.

Und mein Weltbild geriet ins Schwanken.

Danke Mama, für 19 Jahre beste Qualität!

Meine Mutter hat sofort gesagt, dass sie mir eine Niere geben will. Aber ich wollte nicht. Dialyse funktioniert gut und das Risiko, dass meiner Mutter etwas während der OP passiert ist da. Außerdem kann ja immer was passieren, dass sie die Niere selber braucht.

Ich habe über 4 Jahre gebraucht, um das Angebot meiner Mutter annehmen zu können. Ausschlaggebend war ein Ärzte-Patienten-Symposium, bei dem ein Spender-Empfänger-Paar gesprochen hat. Die Aussage, dass Spender ebenfalls engmaschiger und gründlicher durchgecheckt werden als normalgesunde Menschen hat mir schließlich Mut gemacht, die Niere meiner Mutter anzunehmen.

Die Transplantation fand an der Heinrich-Heine Universitätsklinik in Düsseldorf statt. Der Professor, der die Operationen geleitet hat, war ein alter Hase und ging bald nach meiner Transplantation in Rente. Ich war in den besten Händen und alles lief sehr gut. Später habe ich erfahren: Ich habe eine Ferrari-Niere.

Die Niere läuft stabil gut. Natürlich achte ich darauf die Medikamente, die eine Abstoßung verhindern sollen, pünktlich zu nehmen. Ausreichend trinken fällt mir manchmal schwer. Aber jedes Jahr, am Jahrestag der Nierentransplantation, rufe ich meine Mutter an und bedanke mich für X Jahre bester Qualität.

Und später essen wir etwas besonders nettes und begießen das freudige Ereignis mit einer Flasche Champagner. Die Nieren wollen halt zusammen feiern.

Danke Mama, für deine Nierenspende
Das Sonografie-Bild meiner Spenderniere aus dem Jahr 2005

Fragen, die ich in Bezug auf die Nierentransplantation immer wieder höre:

Wenn ich sage, dass ich eine Spenderniere habe, sind immer alle ganz fasziniert. Und da ich mit dem Thema gerne offen umgehe und keine Probleme habe Fragen zu beantworten, zeige ich dir jetzt meine Top 4 Fragen, die ich in Bezug auf die Nierentransplantation immer wieder höre:

Wurden deine eigenen Nieren entfernt?

Nein. Medizinisch betrachtet gab es keinen Grund die eigenen Nieren zu entfernen. So gesehen sind sie nicht krank, sondern nur vernarbt und ohne Funktion. Mein Körper hat sie einfach abgestoßen. Nun sitzen die originalen Nieren klein und verschrumpelt dort, wo sie mal hingehörten und werden regelmäßig auf Veränderungen kontrolliert.

Tatsächlich sitzt die gespendete Niere nun in meinem Becken.

Die Transplantatniere sitzt jetzt im Becken weil:

  1. der Beckenknochen die Niere vor Stößen, usw. schützt.
  2. die Adern, die in die Beine führen, groß sind. So kann das Blut gut durch die Niere geleitet werden.
  3. der Weg zur Blase nicht so lang ist. Es muss weniger vom Harnleiter entnommen werden und die Strecke, die er bis zur Blase geführt werden muss ist deutlich kürzer.

Wäre die Niere an die Position der alten Nieren gekommen, wäre das ein ganz schönes Gemetzel im OP geworden.

Hast du denn jetzt 2 neue Nieren?

Nö! Eine reicht eigentlich völlig aus.

Was ist denn nun eine Ferrari-Niere?

Der Chirurg konnte schon während der Operation sehen, dass die angeschlossene Niere ihre Tätigkeit aufnimmt und anfängt Urin zu produzieren. Sie hatte keine Startschwierigkeiten sondern ist sofort angesprungen. Das ist anscheinend sehr außergewöhnlich und wird umgangssprachlich Ferrari-Niere genannt.

Welche Nebenwirkungen hat die Transplantation verursacht?

  • Die Blase musste wieder gedehnt werden. Da ich nach ca. 2 Jahren an der Dialyse keine Restfunktion der eigenen Nieren mehr hatte, hatte ich auch keinen Urin mehr. Durch den Mangel an Füllung schrumpft die Blase zusammen und die Beckenbodenmuskulatur vergisst wie man einhält. Das war ein ganzes Stück Arbeit und teilweise sehr unangenehm das Einhalten wieder neu zu lernen.
  • Direkt nach der Transplantation hatte ich über mehrere Monate keine Periode mehr. Nein, ich habe sie nicht wirklich vermisst.
  • Die Flüssigkeit, die sich im Körper angesammelt hatte, weil ich oft mehr getrunken habe, als die Dialyse raus ziehen konnte, wurde mit der neuen Niere ausgeschieden. Dadurch hatte ich über Wochen große Probleme mit meinem Kreislauf. Der Blutdruck war plötzlich wieder optimal, da musste ich mich erstmal dran gewöhnen.
  • Meine Haare wurden dünn. Als Nebenwirkung der Medikamente. Die Liste mit den möglichen Nebenwirkungen von einem Medikament ist übrigens Länger als mein Oberkörper.
  • Ich habe innerhalb von 9 Monaten über 40kg Gewicht zugenommen. Ja, ich wurde vorgewarnt, dass viele nach einer Transplantation schnell zunehmen. Nein, ich wusste nicht, wie ich das verhindern konnte. Bei 100kg hörte die drastische Gewichtszunahme auf und seit dem kann ich tun, was ich will: Die 100kg sind die magische Grenze, unter die ich nur komme, wenn etwas ernsthaft nicht stimmt. Und selbst nach 19 Jahren rechtfertige ich mich ständig für mein Übergewicht.
Spenderniere im Becken
Bildquellen: Grafiken und Beitragsbild: Canva, Sonografie: Privat

Hast du noch Fragen zu dem Thema? Schreib mir gerne in die Kommentare oder per eMail.

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